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Arch+:
Sie haben öfters davon gesprochen, dass Sie die Fassade verschwinden
lassen wollen. Was meinen Sie damit?
Fuksas:
Ich bin gegen Fassaden und ich bin gegen Details. Wichtig ist das Konzept
und nicht die Form. Weder Fassade noch Detailkönnen das Konzept
ersetzen. Sie sind keine Lösung der Architektur. In den letzten
20 Jahren waren die Leute sehr formalistisch und wir haben dadurch viele
Dinge verloren, politische Dinge, persönliche Beziehungen, Natur,
Kontext ect.Heute brauchen wir mehr Konzept als Form. Wir müssen
mehr denkenals zeichnen. Daher zeichne ich nicht, sondern mache Gemälde.
Ein Gemälde braucht 20 Minuten, eine Zeichnung mehrere Stunden.
Ich beginne ein Projekt mit Gemälden oder erkläre meine Idee
mit Worten und Gesten. Danach bauen wir Modelle. Und dann erst beginnen
wir zu zeichnen, zuerst den Schnitt. Viele Jahre lang haben die Leute
Fassaden und Grundrisse gezeichnet, wenig Schnitte. Wir machen keine
Fassaden. Natürlich müssen wir eines Tages eine Fassade entwickeln.
Doch die Fassade kommt zu uns, wir suchen sie nicht. Sie entwickelt
sich aus dem Schnitt. Manchmal kann ein Schnitt durch das Gebäude
zur Fassade werden.Und wenn sie nicht gut ist, ist das Projekt nicht
gut.
Eine
Fassade beeinflusst die Atmoshäre des Innenraums,dessen Klima und
Licht. Inwieweit spielen diese Eigenschaften bei Ihren Fassaden eine
Rolle?
In meiner
Architektur arbeite ich viel mit Licht, mit natürlichem wie künstlichem.
Le Corbusier benutzte Licht, um mit den Volumen zu spielen. Ich benutze
Licht, um das Volumen immaterielle werden und verschinden zu lassen.
Es ist wie bei einem Fernseher. Ist er ausgeschaltet, siehst du den
Fernseher. Wenn du ihn anstellst, siehst du etwas anderes. Das fasziniert
mich.
Wenn
man den Fernseher anstellt, verschwindet der Bildschirm und das Bild
erscheint.
Vorher
war das Sichtbare materiell, war realistisch und nun ist es magisch.
Das frühste
Projekt von Ihnen in dieser Art war das Sportzentrum Anagni 1979. Die
Fassade besteht aus einer transparenten Glashaut mit eingesetzten Elementen
aus reflektierendem, transluzenten Glas. Nach Innen projeziert die Fassade
ein Spiel aus Licht und Schatten. Nach Aussen stellt die Fassade eine
Vielzahl von Fassaden dar, imitiert wie ein Bühnenbild eine Stadtlandschaft.
Damals
war ich am suchen. Ich hatte noch keine Lösung für dieses
Problem. Schritt für Schritt gelang es mir, die bekannte'Fassade'
hinter mir zu lassen. Ich machte vier oder mehr verschiedene Entwürfe.
Ich wollte keine Fassade machen, deswegen machte ich viele Fassaden;
auf einer Seite gibt es sieben, acht unterschiedliche Fassaden. Die
Korrospodenz zwischen Innen und Aussen verschwand. Wenn du das Gebäude
von Aussen siehst, fragst du dich, was Innen drin ist. Du kannst es
dir nicht vorstellen.
Die Fassade
erzählt nichts über das Innere.
Ja, ich
wollte, dass es einen kräftigen Knall macht, wenn du nach Innen
kommst, das etwas völlig anderes zu sehen ist - wie in der Architektur
des Barocks.
Paul
Virillio spricht davon, dass der moderne Mensch mit dem Kinoblick die
ganzheitliche Anschauungsweise verloren hat. Der Blick ist fragmentarisiert,
die einzelnen Sequenzen unabhängig voneinander. Sie versuchen in
Ihrer Architektur, die Sequenzen des Innen und Aussen unabhängig
voneinander zu entwickeln. Dieses Thema wird bei Ihrer Mediathek in
Reze-Nantes noch deutlicher. Von Aussen ist es eine richtige black box,
eine massive Schachtel ohne Öffnungen. Aber wenn man hineingeht,
verschwinden die Wände durch das künstliche Licht. Du siehst
das Licht und fühlst nicht mehr die Grenzen des Raums.
Von Aussen
ist es ein quadratischer Betonblock. Wenn du nach Innen gehst, siehst
du sehr viel Licht, obgleich das Gebäude von Aussen völlig
undurchsichtig ist.
Die innere
Fassade soll die Form und das Volumen des Gebäudes dematerialisieren.
Die Masse der Wände verschwindet und andere Dinge wie das Licht
werden wichtig.
Zugleich
haben wir wir die Korrospondenz zwischen Innen und Aussen durchschnitten.
Insofern richtet sich dieses Projekt gegen die Moderne mit ihrem Ideal
einer Kontinuität zwischen Innen und Aussen. Gleichzeitig ist das
Projekt in seiner Verwendung von Licht neomodern.
Sie sagten
einst, dass Norman Fosters Willis-Faber-Gebäude in Ipswich zu den
wichtigsten Gebäuden unsere Epoche gehört. Was meinen Sie
damit?
Am Tag
sieht man nichts vom Inneren des Gebäudes, es ist ein vollständige
Mysterium, nur das Gegenüber spiegelt sich auf der Fassade. Und
in der Nacht - eine wundersame Verwandlung - wird die Fassade transparent,
sie verschwindet, man sieht das Innere. Es ist das erste Projekt mit
unterschiedlichen Ideen für Tag und Nacht.
Diese magische Qualität des Lichts war auch bei meinem Hamburger
Projekt ein zentrales Thema. Die Nacht mit ihrem Licht und ihrer Dunkelheit
hat die Kraft alles zu verwandeln und Grenzen zuverwischen.
Bei Ihren
Projekten für Hamburg und Nimes benutzen Sie Lochbleche, Metallgitter
und bedrucktes Glass in der Fassade. Diese halbtransparenten Materialien
bilden eine Art Leinwand, auf die je nach den Lichtverhältnissen
von Innen oder Aussen Licht,Schatten und Umrisse projeziert werden.
Aussen sieht man nicht mehr das Innere, man erahnt es nur noch. Und
ebenso ist von Innen das Aussen nicht mehr zu sehen, sondern nur noch
ein abstraktes Bild.
Und wenn
du willst, öffnest du das Metallgitter, den Screen, und kannst
wieder nach draussen sehen.
Die Fassade
wird zu einem Bildschirm, einem Ort der Informationsübermittlung.
Fassade
ist Information. Es ist etwas magischeres als Form. Es ist wie ein Traum.
Eine
solche Fassade umhüllt und verbirgt das Innere. Das erinnert an
die Arbeiten von Christo.
Ich mag
Christo sehr. Er inspieriert mich.
Christo
sagt, wenn er ein Gebäude umhüllt, verliert es seine Massstäblichkeit.
Du bekommst keine Informationen über die Konstruktion, du siehst
keine Fenster und Stockwerk. Das ist alles hinter der Stoffhülle
verschwunden, aber du fühlst, es gibt etwas dahinter. Die Verhüllung
lässt das Dahinterliegende erahnen.
Es ist
wie ein Kleid. Du siehst nicht den Körper, aber du erahnst ihn.
Zugleich erlaubt eine solche Hülle die grösstmögliche
Freiheit im Inneren. Bei dem Hamburger Handelszentrum umhüllten
wir das Gebäude mit einer Schale und kümmerten uns dabei nicht
um das Innere. Diese Schale ist wie das Gehäuse eines Fernsehers
oder Computers. Man weiss, es gibt eine Menge im Inneren und träumt
davon, die Schale zu öffnen, um zusehen, was sich dahinter verbirgt.
Die traditionelle
Fassade war mit ihren Fenstern, Balkonen, Arkaden und Loggien ein Übergangsraum
zwischen Innen und Aussen. Sie verband das Haus mit der Strasse, das
Private mit dem Öffentlichen. Wenn die Fassade zu einer Verpackung
oder einem Bildschirm wird, dann verliert sie diese Qualität.
In der
Peripherie und den Vorstädten gibt es keine Strassen und Plätze
mehr. Niemand geht mehr runter auf die Strasse, um Leute zu treffen
oder zu schauen, was los ist. Im alten Rom war das Forum der Ort, wo
Leute hinkamen, um sich zu informieren. Heute schaltet man den Fernseher
an und erfährt viel mehr als früher auf einem Platz. Der Platz
heute ist der Fernseher.
Die heutige Stadt ist ein grosser kommerzieller Markt, wo die Leute
hingehen, um einzukaufen. Und die Fassade ist dazu da, zu zeigen, was
die Leute kaufen, in welcher Weise sie leben, welche Art von Fernsehn
sie schauen.
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